Primzerlegung (Topologie)

Dieser Artikel behandelt die Primzerlegung von Mannigfaltigkeiten. Für die Primzerlegung von Knoten siehe Zusammengesetzter Knoten.

In der Topologie, einem Teilgebiet der Mathematik, bezeichnet Primzerlegung eine Zerlegung von Mannigfaltigkeiten in "Primkomponenten".

Prim-Mannigfaltigkeiten

Eine geschlossene zusammenhängende d {\displaystyle d} -dimensionale Mannigfaltigkeiten M {\displaystyle M} ist eine Prim-Mannigfaltigkeit, wenn sie sich nicht als zusammenhängende Summe zerlegen lässt, also wenn aus

M = M 1 M 2 {\displaystyle M=M_{1}\sharp M_{2}}

folgt, dass M 1 {\displaystyle M_{1}} oder M 2 {\displaystyle M_{2}} homöomorph zur Sphäre S d {\displaystyle S^{d}} ist.

Prim-Zerlegung

Als Prim-Zerlegung einer geschlossenen zusammenhängenden d {\displaystyle d} -dimensionalen Mannigfaltigkeit M {\displaystyle M} wird eine Zerlegung als zusammenhängende Summe von endlich vielen Prim-Mannigfaltigkeiten bezeichnet, also

M = M 1 M k {\displaystyle M=M_{1}\sharp \ldots \sharp M_{k}}

mit Prim-Mannigfaltigkeiten M 1 , , M k {\displaystyle M_{1},\ldots ,M_{k}} (den Primkomponenten).

Existenz

Aus der Poincaré-Vermutung folgt, dass jede geschlossene zusammenhängende 3-Mannigfaltigkeit eine Primzerlegung besitzt. Tatsächlich lässt sich nach dem Satz von Grushko-Neumann jede endlich erzeugte Gruppe als freies Produkt unzerlegbarer Gruppen zerlegen. Weil (in Dimensionen d 3 {\displaystyle d\geq 3} ) die Fundamentalgruppe der zusammenhängenden Summe das freie Produkt der Fundamentalgruppen der einzelnen Summanden ist, kann man dann jede 3-Mannigfaltigkeit als zusammenhängende Summe endlich vieler Mannigfaltigkeiten nichttrivialer Fundamentalgruppe mit (a priori) weiteren einfach zusammenhängenden Mannigfaltigkeiten zerlegen, letztere müssen aber nach der Poincaré-Vermutung homöomorph zur Sphäre sein.

Im Fall 3-dimensionaler Mannigfaltigkeiten war die Existenz einer Prim-Zerlegung bereits 1924, also lange vor dem Beweis der Poincaré-Vermutung, von Kneser bewiesen worden. Seine Methoden wurden später von Haken zum Beweis der Endlichkeit von Hierarchien inkompressibler Flächen in Haken-Mannigfaltigkeiten verallgemeinert.

Kneser bewies, dass sich jede Zerlegung der Fundamentalgruppe einer geschlossenen 3-Mannigfaltigkeit als freies Produkt π 1 M = Γ 1 Γ 2 {\displaystyle \pi _{1}M=\Gamma _{1}*\Gamma _{2}} durch eine zusammenhängende Summe M = M 1 M 2 {\displaystyle M=M_{1}\sharp M_{2}} mit π 1 M i = Γ i , i = 1 , 2 {\displaystyle \pi _{1}M_{i}=\Gamma _{i},i=1,2} realisieren lässt. Das analoge Problem in höheren Dimensionen war als Kneser-Vermutung bekannt, es gibt aber in allen Dimensionen d 4 {\displaystyle d\geq 4} Gegenbeispiele zu dieser Vermutung.[1][2]

Die Prim-Zerlegung spielt eine wichtige Rolle in der Geometrisierung von 3-Mannigfaltigkeiten. Eine 3-Mannigfaltigkeit ist genau dann prim, wenn sie entweder irreduzibel oder ein S 2 {\displaystyle S^{2}} -Bündel über S 1 {\displaystyle S^{1}} ist.

Eindeutigkeit

Die Prim-Zerlegung geschlossener, orientierbarer 3-Mannigfaltigkeiten ist eindeutig (bis auf Umordnen und Homöomorphismen), das wurde 1962 von Milnor bewiesen.

In höheren Dimensionen gilt die Eindeutigkeit nicht, zum Beispiel ist

C P 2 C P 2 ¯ C P 2 ¯ ( S 2 × S 2 ) C P 2 ¯ {\displaystyle \mathbb {C} P^{2}\sharp {\overline {\mathbb {C} P^{2}}}\sharp {\overline {\mathbb {C} P^{2}}}\simeq (S^{2}\times S^{2})\sharp {\overline {\mathbb {C} P^{2}}}} .

Auch für nicht-orientierbare Mannigfaltigkeiten gilt die Eindeutigkeit der Primzerlegung nicht, Gegenbeispiele gibt es bereits in Dimension 2.

Literatur

  • Hellmuth Kneser: Ein topologischer Zerlegungssatz. Proc. Konink. Nederl. Akad. Wetensch. 27 (1924), 601–616.
  • John Milnor: A unique decomposition theorem for 3-manifolds. Amer. J. Math. 84 (1962), 1–7.
  • Allen Hatcher: Notes on Basic 3-Manifold Topology (PDF; 385 kB) 2000 (englisch).

Einzelnachweise

  1. Kreck, Matthias; Lück, Wolfgang; Teichner, Peter: Counterexamples to the Kneser conjecture in dimension four. Comment. Math. Helv. 70 (1995), no. 3, 423–433, doi:10.1007/BF02566016.
  2. Cappell, Sylvain E.: On connected sums of manifolds. Topology 13 (1974), 395–400.